Am 15.3.2024 jährt sich zum 200.sten Mal der Geburtstag unseres Gründers P. Jules Chevalier, ein willkommener Anlass, noch einmal tiefer zu blicken, was uns unser Gründer heute noch zu sagen hat.
3. Gedanke: Mt 9,36
„Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen, denn sie waren müde und erschöpft, wie Schafe, die keinen Hirten haben.“
Was macht einen guten Hirten aus? Das war keine Frage in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Nicht nur viele Kirchen, die gesamte kirchliche Struktur war zerstört. Das Ziel Napoleons im Konkordat von 1801 war, eine gallikanische Kirche zu schaffen, die in allem dem ersten Konsul des Staates unterstand, von der Einteilung (und Reduzierung) der Diözesen, bis hin zur Bestimmung der Bischöfe, die der Papst in Rom nur zu bestätigen hatte. Die zentrale Haltung des Staates und vieler Bürger gegenüber der römischen Kirche war Feindseligkeit.
Das Ziel der wenigen verbliebenen Priester war, genau diese alte Kirche wiederherzustellen, unter der Vorstellung, die verstreuten christlichen Schafe wieder zusammenzuführen. Die Inhalte ihrer Predigten waren überwiegend Umkehr, Bekehrung und Buße, die mit entsprechend negativen Bildern von Fegefeuer und Hölle dekoriert wurden. Das funktionierte in wenigen, meist traditionell geprägten Gebieten oder bei besonders charismatischen Gestalten wie dem Pfarrer von Ars, aber das waren Inseln in einem Meer von Gleichgültigkeit gegenüber Gott und Kirche, das zunehmend Frankreich, das Frankreich P. Chevaliers, überschwemmte. Es gab kaum noch „Schafe“, die man hätte zurückführen können. Diese Gleichgültigkeit und den überall vorhandenen Egoismus definierte er als die Krankheiten der Gesellschaft, die es zu heilen gelte.
Aber wie? Mit den alten Drohpredigten auf keinen Fall, das hatte er schon im Seminar gelernt, wo ihn sein Rigorismus schnell zum Außenseiter gemacht hatte. Einem solchen Hirten folgt keiner, Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Schon mehr versprach seine Wandlung nach Exerzitien, nach denen er den Menschen mit großer Freundlichkeit und Barmherzigkeit begegnete und viele für sich gewinnen konnte. Aber das war ja nicht sein Ziel, er wollte sie für Gott gewinnen. Nur für welchen?
Sein eigenes strenges Gottesbild stand dem im Wege, bis ihm einer der Ausbilder ein Buch über das Leben der Heiligen Margareta-Maria Alacoque in die Hand drückte, das er leidenschaftlich verschlang. In einer positiven Erschütterung erkannte er das Neue, das seinen weiteren Weg prägen sollte: Das, womit Gott die Menschen an sich ziehen will, ist seine Liebe, die sich im Herzen Jesu auch im Sohn manifestiert und inkarniert. Nicht als etwas, das es fromm anzubeten gilt, die Andacht zum Herzen Jesu war schon lange weitverbreitet, nicht als eine Art Votivgegenstand, sondern als etwas, dem man im eigenen, ganz realen Leben begegnen kann. Immer wieder, immer mehr.
Davon gilt es sich anstecken zu lassen, ob geweiht oder nicht geweiht und sich immer wieder gegenseitig daran zu erinnern. Und es gilt, immer wieder auf den hinzuweisen und ihn erfahrbar zu machen, der sich selbst mit Recht als den guten Hirten bezeichnet. Weil er ein Herz hat und die Menschen liebt.
Das ist die Sendung, die P. Chevalier für sich erkannte und seinen Mitbrüdern ans Herz legte, damals wie heute: Die Liebe Gottes, das Herz Jesu, überall in dieser Welt zu verbreiten, v.a. dort, wo sonst niemand hingeht. Das kann einfach geographisch sein, nicht umsonst war unsere erste Mission in Papua-Neuguinea. Aber es können eben auch Orte sein, die wir eher scheuen, wie unsere verletzten oder verschlossenen Herzen. Das Herz Jesu kann überall und alles heilen. Ein guter Hirte eben! Genauer: Der beste!